Estragon (Artemisia dracunculus)

Estragon ist den meisten als Gewürz für französischen Senf und Essig bekannt. Doch er ist auch eine Heilpflanze!
Ursprünglich stammt die Pflanze aus dem Gebiert, dass sich vom östlichen Russland bis in die Mongolei erstreckt. Man nimmt an, dass Estragon u.a. im Gepäck der mongolischen Reiternomaden nach Europa fand. Bei vielen alten Völkern galt Estragon als Drachen- und Schlangen-Pflanze. Ein sehr schönes Beispiel für diese Assoziation findet sich in der Mythologie der Isländer. Dort gilt Estragon Gras des Drachen Fáfnir (fáfnis­gras), welcher im Heldenlied Fáfnismál der Liederedda und in der „Völsunga saga“ Erwähnung findet.

Offenbar wurde Estragon wegen seines verschlungenen Wurzelstocks mit Drachen in Verbindung gebracht. Man glaubte, dass Estragon Schlangen und Drachen abwehrt und Schlangenbisse heilen kann. Doch er wurde auch zur Förderung der Verdauung, gegen Appetitlosigkeit und Ödemen und zur Nierenstärkung eingesetzt. In der Neuzeit wird Estragon jedoch kaum als Heilpflanze eingesetzt. Das liegt u.a. daran, dass die moderne Schulmedizin ihn wegen seines Estragol-Gehaltes als gefährlich einstuft. Auch wenn zahlreiche Studien dies widerlegen, bliebt bei diesem scheinbaren Kampf um die Wahrheit eine wunderbare Heilpflanze auf der Strecke. Zeit den „kleinen Drache“ zu befreien…

Synonyme:
  • Dragon, Dragun, Drakonkraut, Eierkraut, Escadornkraut, Kaisersalat
  • Artemisia aromatica, Artemisia changaica, Artemisia dracunculina, Artemisia dracunculoides, Artemisia glauca, Artemisia inodora, Artemisia pamirica, Artemisia redowskyi, Artemisia simplicifolia, Oligosporus changaicus, Oligosporus dracunculus, Oligosporus pamiricus
Variätäten:
  • Estragon gibt es in verschiedenen Varietäten, u.a.:
    • Russischer Estragon (Artemisia dracunculus var. inodora): Wildform des Estragon. Er bildet Samen und überlebt bis −10 °C
    • Französische Estragon (Artemisia dracunculus var. sativa): Als Synonym auch „Deutscher Estragon“ genannt. Er muss daher vegetativ vermehrt werden und ist frostempfindlich.
Englischer Pflanzenname:
  • Estragon, tarragon
Pflanzenfamilie:
  • Korbblütler (Asteraceae)
Bezeichnung des
Arzneimittels:
  • Estragon-Kraut
    (Herba Dracunculi)
  • Äth. Estragonöl
    (Dracunculi aetheroleum )
Anwendung:
  • Appetitlosigkeit*
  • Blähungen*
  • Magenstärkung*
  • Nierenstärkung*
  • Ödeme (Wassersucht)*
  • Appetitlosigkeit*
  • Blähungen*
  • Heuschnupfen**
  • Magenstärkung*
  • Menstruationsbeschwerden, u.a.
    • Ausbleibende Menstruation (Amenorrhoe)*
    • Prämenstruelles Syndrom (PMS)*
    • Regelschmerzen (Dysmenorrhoe)*
  • Rheuma (Einreibung)*
Wirkung:
  • Antioxidativ [11]
  • Antiparasitär [2]
  • Appetitanregend, mild (stomachisch)**
  • Blutverdünnend
    (anticoagulierend) [8] [9]
  • Blutzuckersenkend [5] [6]
  • Entzündungshemmend (antiinflammatorisch) [10]
  • Fiebersenkend**
  • Gallenflussfördernd**
  • Harntreibend**¹
  • Schmerzreiz-hemmend
    (antinozizeptiv) [10]
  • Verdauungsanregend**
¹ Estragon enthält viel Kalium. Im Vergleich beider Varietäten enthält der Russische Estragon etwa vier- bis fünfmal mehr Natrium und wirkt daher stärker entwässernd.
  • Antiallergisch**
  • Antibakteriell [1]
  • Antiviral, stark**
  • Blähungstreibend (karminativ)**
  • Emmenag (menstruationsanregend)**
  • Krampflösend (spasmolytisch)**
  • Östrogenähnlich**
Inhaltsstoffe:
  • Ätherisches Öl (0,25 - 3,1 %)
  • Flavonoide
  • Gerbstoffe
  • Bitterstoffe
  • Cumarine, u.a.
    • Herniarin
    • Scopoletin
    • Isocumarine (Artemidin, Artemidinal, Artemidinol)
  • Benzodiazepin (Delorazepam) in Spuren [3]
  • Mineralstoffe (Kalium)
  • Monoterpene
    • cis-Ocimen (10-13%)
    • trans-Ocimen (7-12%)
    • Phellandren
  • Monoterpenole (Nerol)
  • Phenylether
  • Estragol (bis zu 80%)
  • Monoterpenketone
    • Thujon
  • Oxide
    • 1,8-Cineol
  • ♦ Wichtig:
      Die Angaben beiziehen sich auf den Französi­schen Estragon. Er stellt die Zucht­form dar und ent­hält mehr aromabildendes ätherisches Öl. Der Russische Estragon enthält maximal 1 % ätherisches Öl. Dieses enthält kein aromabildendes Estragol. Sein Geschmack ist daher nicht mit dem angenehm, süßen Aroma des Französischen Estragons zu vergleichen. Stattdessen bewirken Flavonoide (Quercetin, Patuletin) einen herben, adstringie­renden Geschmack.
    Dosierung:
    • Estragon enthält Estragol. Es wird vermutet, dass Estragol für den Menschen cancerogen und erbgutschädigend ist. Daher soll laut dem Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin der Verzehr von Estragon auf die Küchenzubereitung beschränkt bleiben. [4]
    Gegenanzeigen:
    • Keine bekannt
    • Nicht in der Schwangerschaft einsetzen
    Nebenwirkungen:
    • Keine bekannt
    • Ggf. karzinogene und erbgutschädigende Wirkung
    Wechselwirkungen:
    • Keine bekannt
    • Keine bekannt

    * Volks- und Erfahrungsheilkunde
    ** Die Wirkung erschließt sich aus den Inhaltsstoffen der Pflanze.

    Für Estrag/ -zubereitungenl wurde eine Wirkung wissenschaftlich bisher erwiesen gegen:Für ätherisches Estragonöl wurde eine Wirkung wissenschaftlich bisher erwiesen gegen:
    • Leishmanien [2]
    • Escheria coli [1]
    • Staphylococcus aureus [1]

    Beispiele für Präparate, in denen Estragon vorkommt:

    • Derzeit sind keine Präparate bekannt

    Estragon selber sammeln:

    Sammelorte:
    • Estragon kommt vom östlichen Russland bis in die Mongolei vor. Kultiviert ist er in ganz Europa verbreitet.
    • Standort: halbschattig bis sonnig und möglichst geschützt
    Sammelzeit:
    • Mai bis Juli
    • Für die Küche: April bis November
    Sammelgut:
    • Kraut und Blätter

    Interessantes rund um Estragon:

    • Estragon war im alten Griechenland Artemis geweiht, der Göttin der Jagd, des Waldes und die Hüterin der Frauen und Kinder. Der Gattungsname Artemisia, ist eine Referenz an Artemis. Der zweite Namensteil von Estragon „dracunculus“ bedeutet „kleiner Drache“ und spricht dafür, dass man früher glaubte Estragon könne giftige Stiche und Bisse heilen.

    Beispiele für eigene Zubereitungen:

    Klassischer Estragon-Tee zur Magenstärkung

    • 1 TL der Droge mit 250 ml kochendem Wasser übergießen und für 5 bis 10 Minuten zugedeckt ziehen lassen; abgießen 1-3 x täglich je eine Tasse für den Zeitraum von 3 bis 4 Wochen

    ♦ Wichtig: Wasserextrakte von A. dracunculus enthalten sehr geringe Mengen an Estragol und Methyleugenol und gelten unbedenklich. [7]

    Klassische Estragon-Tinktur

    Zubereitung:
    1. Frisches Estragonkraut zerkleinern
    2. In ein verschließbares Gefäß geben und
      im Verhältnis 1:5 mit 60%igem Alkohol
      auffüllen
    3. Ansatz 3 Wochen ziehen lassen (ab und an schütteln)
    4. Abseihen und die fertige Tinktur in
      dunkle Fläschchen abfüllen

    Einnahme:
    • Bei Bedarf 3 x tgl. 10-20 Tropfen einnehmen
    Anwendung bei:
    • Appetitlosigkeit
    • Blähungen
    • Magenstärkung
    • Nierenstärkung
    • Ödeme (Wassersucht)

     

    [1] Raeisi M, Tajik H, Razavi RS, Maham M, Moradi M, Hajimohammadi B, Naghili H, Hashemi M, Mehdizadeh T: Essential oil of tarragon (Artemisia dracunculus) antibacterial activity on Staphylococcus aureus and Escherichia coli in culture media and Iranian white cheese.; Iran J Microbiol. 2012 Mar;4(1):30-4.

    [2] In einer Studie zeigte Estragon-Extrakt starke anti-leishmaniale Aktivität und stärkte die zelluläre Immunität gegen diesen Parasiten. Rezaei R, Hazrati Tappeh K, Seyyedi S, Mikaili P: The Anti-leishmanial Efficacy of Artemisia dracunculus Ethanolic Extract in Vitro and Its Effects on IFN-γ and IL-4 Response.; Iran J Parasitol. 2017 Jul-Sep;12(3):398-407.

    [3] Dominique Kavvadias: Liganden des Benzodiazepin-Rezeptors: Studien über Benzodiazepine in pflanzlichen Geweben sowie über Hispidulin.; Dissertation an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 2003, S. 5. [Quelle]

    [4] Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz: Minimierung von Estragol- und Methyleugenol-Gehalten in Lebensmitteln.; Hintergrundpapier vom 15. Januar 2002 [Quelle]

    [5] Wang ZQ, Ribnicky D, Zhang XH, Raskin I, Yu Y, Cefalu WT: Bioactives of Artemisia dracunculus L enhance cellular insulin signaling in primary human skeletal muscle culture.; Metabolism. 2008 Jul;57(7 Suppl 1):S58-64. doi: 10.1016/j.metabol.2008.04.003.

    [6] Eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte klinische Studie an untersuchte die Auswirkungen von Estragon auf den Blutzucker bei Patienten mit IGT (gestörte Glukosetoleranz). Die Patienten erhielten 90 Tage lang je 1 g Estragon vor dem Frühstück und Abendessen. Eine Kontrollgruppe erhielt Placebo. Die Ergebnisse zeigten, dass Estragon SBP, A1C, AUC von Insulin signifikant senkte. Méndez-Del Villar M, Puebla-Pérez AM, Sánchez-Peña MJ, González-Ortiz LJ, Martínez-Abundis E, González-Ortiz M: Effect of Artemisia dracunculus Administration on Glycemic Control, Insulin Sensitivity, and Insulin Secretion in Patients with Impaired Glucose Tolerance.; J Med Food. 2016 May;19(5):481-5. doi: 10.1089/jmf.2016.0005. Epub 2016 Apr 20.

    [7] Obolskiy D, Pischel I, Feistel B, Glotov N, Heinrich M: Artemisia dracunculus L. (tarragon): a critical review of its traditional use, chemical composition, pharmacology, and safety.; J Agric Food Chem. 2011 Nov 9;59(21):11367-84. doi: 10.1021/jf202277w. Epub 2011 Oct 13.

    [8] Durić K, Kovac Besovic EE, Niksic H, Muratovic S, Sofic E: Anticoagulant activity of some Artemisia dracunculus leaf extracts.; Bosn J Basic Med Sci. 2015 May 13;15(2):9-14. doi: 10.17305/bjbms.2015.384.

    [9] Shahriyary L, Yazdanparast R: Inhibition of blood platelet adhesion, aggregation and secretion by Artemisia dracunculus leaves extracts.; J Ethnopharmacol. 2007 Nov 1;114(2):194-8. Epub 2007 Aug 2.

    [10] Eidi A, Oryan S, Zaringhalam J, Rad M: Antinociceptive and anti-inflammatory effects of the aerial parts of Artemisia dracunculus in mice.; Pharm Biol. 2016;54(3):549-54. doi: 10.3109/13880209.2015.1056312. Epub 2015 Jun 16.

    [11] Carlsen MH et al: The total antioxidant content of more than 3100 foods, beverages, spices, herbs and supplements used worldwide.; Nutr J. 2010 Jan 22;9:3. doi: 10.1186/1475-2891-9-3.

    Recherche-Quellen:

    • Hiller, Karl; Metzig, Matthias F.: Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen, Zweiter Band, Spektrum Akademischer Verlag; Heidelberg 2003
    • Zimmermann, Eliane: Aromatherapie für Pflege- und Heilberufe“, 3. überarbeitete Auflage, Sonntag Verlag, Stuttgart 2006
    • Hänsel, R.; Sticher, O.: Pharmakognosie – Phytopharmazie, 8. Auflage Springer Medizin Verlag Heidelberg 2007
    • Zizmann, Peter A.: Pflanzliche Tinkturen und Extrakte erfolgreich Rezeptieren, Sonntag Verlag Stuttgart 1996

    Internetseiten:

    • https://de.wikipedia.org/wiki/Estragon
    • https://en.wikipedia.org/wiki/Tarragon
    • http://gernot-katzers-spice-pages.com/germ/Arte_dra.html
    • https://de.wikipedia.org/wiki/Fafnir
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