Tollkirsche (Atropa belladonna) † † †

GernotFlick201508091340

Die Tollkirsche wird von alters her als Giftpflanze gefürchtet. Der botanische Name „Atropa“ leitet sich von der Schiacksalsgöttin Atropos (die Grausame, Unerbitterliche) ab. Sie ist eine der drei Parzen (Schicksalsgöttinen) aus der römischen Mythologie. Atropos ist diejenige, die den Lebensfaden durchschneidet.

Da die Tollkirsche Halluzinationen hervorrufen kann, wird sie oft als Hexenpflanze und Bestandteil von Flugsalben erwähnt. Da die Pflanze aber schwer zu dosieren ist und die Wirkung auf den Menschen sehr von dessen Konstitution abhängt, dürfte sie eher in Räucherungen eingesetzt worden sein. Die Tollkirsche ist eine Pflanze, bei der der Grad zwischen Heil und Unheil sehr engt ist. Aus diesem Grund findet man immer weniger Informationen in Heilpflanzen-Büchern und anderen Quellen. Um dem Informationsverlust gegenzusteuern hier ein paar ausführlichere Informationen… 

Synonyme:
  • Judenkirsche, Judenkermlein, Rasewurz, Schlafkirsche, Schwarzber, Teufelsauge, Teufelsberi, Teufelskirsche, Tintenbeer, Todeskraut, Tollbeere, Tollkraut, Waldnachtschatten, Wolfsbeere, Wolfskirsche
  • Atropa lethalis, A. lutescens, A. pallida, Belladonna baccifera, , Belladonna trichotoma
Englischer Pflanzenname:
  • Belladonna, deadly nightshade
Pflanzenfamilie:
  • Nachtschattengewächse (Solanaceae)
Bezeichnung des Arzneimittels:Belladonnae folium
(Tollkirschen-Blätter)
Belladonnae radix (Tollkirschen-Wurzel)
Anwendungsgebiete: 
    VORSICHT! Stark giftig. Tollkirsche sollte nur als Fertigarznei oder homöopathisch angewendet werden.
  • Spasmen und kolikartige Schmerzen im Bereich des Gastrointestinaltraktes und der Gallenwege [1]
Wirkung:
  • Parasympatikolytisch, d.h.
    • Erschlaffung der glatten Muskulatur
    • Spasmolytisch, v. a. im Gastrointestinaltrakt & den Gallenwegen
    • Antagonisierung der Wirkungen von Acetylcholin an Ganglien und motorischen Endplatten und seiner Transmitterfunktion im Gehirn und damit zentralerregend
Inhaltsstoffe:
  • 0,2 - 2 % Tropanalkaloide bestehend aus
    • 90 % L-Hyoscyamin
    • Ca. 7 % Apoatropin
    • 3 % Tropin
    • 2 % Scopolamin
  • Flavonoide (Quercetin- und Kämpferolderivate)
  • Cumarine
  • Ca. 10 % Gerbstoffe
  • 0,3 - 1,2 % Tropanalkaloide:
    • 70 % L-Hyoscyamin
    • 18 % Apoatropin
    • 3 % Tropin
    • 0,8 % Scopolamin
Dosierung:
  • Maximale Einzeldosis entsprechend 0,50 mg Gesamtalkaloiden
  • Maximale Tagesdosis entsprechend 1,5 mg Gesamtalkaloiden
Gegenanzeigen
  • Schwangerschaft
  • Stillzeit
  • Tachykarde Arrhythmien
  • Prostataadenom mit Restharnbildung
  • Engwinkelglaukom
  • Akutes Lungenödem
  • Mechanische Stenosen im Bereich des Magen-Darm-Traktes
  • Sehr hohe Außentemperatur (Gefahr der Hyperthermie durch verminderte Schweißsekretion)
NebenwirkungenAllgemein:
  • Mundtrockenheit
  • Abnahme der Schweißsekretion
  • Akkomodationsstörungen
  • Hautrötung und -trockenheit
  • Wärmestau
  • Tachykardie
  • Miktionsbeschwerden
  • Halluzinationen
  • Krampfzustände
    Die tödliche Dosis beginnt bei Erwachsenen bei 100 mg Atropin bzw. 10 mg (-)-Hyoscyamin, bei Kindern bei wenigen mg Atropin.
Wechselwirkungen
  • Verstärkung der anticholinergen Wirkung durch trizyklische Antidepressiva, Amantadin und Chinidin.

* Volks- und Erfahrungsheilkunde
** Die Wirkung erschließt sich aus den Inhaltsstoffen der Pflanze.

Beispiele für Präparate, in denen Tollkirsche vorkommt:

Wegen der starken Wirkung sind Tollkirsche und Atropin nur in homöopathischer Form ab Potenz D3 frei erhältlich. Liegt Atropin (Atropinsulfat) in nicht homöopathischer Form vor, ist es verschreibungspflichtig.

Homöopathie:
  • Spasmovowen® Mischung Bei krampfartigen Magen-Darm-Beschwerden & Blähungen
  • Pulmosan® Tropfen Bei krampfartigem Husten
  • Original-Tinktur N Truw® Bei grippalen Infekten

Tollkirsche selber sammeln: 

ACHTUNG! Folgende Angaben dienen der Vollständigkeit dieses Pflanzenportraits. Von der Volksmedizinischen Verwendung als Heildroge (außer in homöopathischer Form) ist abzuraten!

Sammelorte:
  • Waldlichtungen und Waldränder mit nährstoffreichen Böden
  • Brachflöchen
  • Schuttplätze
  • Sammelzeit/ Sammelgut:
  • Blätter: Mai bis Juni (Zeit des höchsten Wirkstoffgehalt)
  • Wurzel: September bis Oktober
  • Früchte: August bis Oktober
  • Interessantes rund um die Tollkirsche:

    Tollkirsche war oft Bestandteil magischer Räucher- und Orakelmischungen. Traditionell wurden gern mit folgenden Pflanzen gemischt:

    • Tollkirsche – Mittags geerntet
    • Fliegenpilz  – Verhindert in Mischungen die durch Nachtschattengewächse bedingte Austrocknung der Schleimhäute
    • Eicheln –  zu Vollmond nackt gepflückt
    • Eisenkraut-Blätter – Am Nachmittag mit der Hand gepflückt
    • Pfefferminze – Am Morgen gepflückt
    • Mistel-Blätter – Vom Vorjahr, zu Mitternacht geschnitten

    Beispiele für eigene Zubereitungen:

    GernotFlick201508091342

    ACHTUNG! Folgende Angaben dienen der Vollständigkeit dieses Pflanzenportraits. Vor unsachgemäßer Anwendung durch Laien ist zu warnen!

    Homöopathische Tropfen aus Belladonna

    Um ganz sicher zu gehen, dass man nicht zu hoch dosiert, sollte Tollkirsche homöopathisch angewendet werden. Dazu geht man wie folgt vor:

    1. Destilliertes Wasser und reinen Alkohol zu gleichen Teilen mischen
    2. Ein kleines Stück der Droge im Mörser zerkleinern (in der klassischen Homöopathie etwa 1 Stunde lang)
    3. Einen Teil der zerstoßenen Droge in ein Fläschchen geben und 10 Teile des Wasser-Alkohol-Gemisch dazugeben (Das Fläschchen darf max zu 2/3 gefüllt sein)
    4. Fläschchen verschließen und 10 starke, nach unten gerichtete Schläge ausführen (Ruckartige Bewegung nach unten) = Potenz D1
    5. Von dem D1-Gemisch 10 Tropfen in eine andere Flasche geben und 100 Tropfen Wasser-Alkohol-Gemisch dazugeben
    6. Fläschchen verschießen und erneut 10 nach unten gerichtete Schläge ausführen = Potenz D2
    7. Von dem D2-Gemisch 10 Tropfen in eine andere Flasche geben und 100 Tropfen Wasser-Alkohol-Gemisch dazugeben
    8. Fläschchen verschießen und erneut 10 nach unten gerichtete Schläge ausführen = Potenz D3Von dem D3-Gemisch 10 Tropfen in eine andere Flasche geben und 100 Tropfen Wasser-Alkohol-Gemisch dazugeben
    9. Fläschchen verschießen und erneut 10 nach unten gerichtete Schläge ausführen = Potenz D4
    Einsatz Potenz D4:
    • Akuten Entzündungen
    • Arthritis
    • Fieber/ Fieberkrampf
    • Gastritis
    • Kolikartigen Schmerzen und Kopfschmerzen, bes. wenn sie plötzlich kommen und gehen oder rechtsseitig auftreten
    • Neuralgien
      Belladonna wird oft als Folgemittel nach Aconitum gegeben, wenn es zum
      Beispiel bei Fieber zum Schweißausbruch gekommen ist und Aconitum
      nicht mehr hilft.
    Einnahme:
    • 3 x täglich 3 – 5 Tropfen
    Leitsymptome:
    • Akute, plötzlich auftretende und schmerzhafte Erkrankungen
    • Erkrankungen mit hohem Fieber, rotem Gesicht, heißem und verschwitztem Kopf, aber kalten Extremitäten
    • Kein Durst während des Fiebers; der Puls ist schnell, hart und klopfend
    • Entzündungen mit Hitze, Röte und brennenden oder klopfenden Schmerzen
    • Oft vergrößerte Pupillen
    • Empfindlichkeit gegen Erschütterung, Lärm und grelles Licht
    • Abneigung gegen Wasser trotz trockenem Mund
    • Symptome großer Intensität und Heftigkeit, die plötzlich kommen und gehen; sie verschlechtern sich nachmittags und abends, durch Berührung, Erschütterung und Lärm sowie beim Hinlegen; die Beschwerden verbessern sich in Ruhe, im aufgerichteten Sitzen und beim Rückwärtsbeugen.
    Rosenblätter in Schale räuchern
    Bild: © LoSa – Fotolia.com

    Asthma-Räuchermischung (nach de Crevoisier)

    • 10 g Tollkirschen-Blätter (Rezeptpflichtig!)
    • 10 g Fingerhut-Blätter (Digitalis)
    • 10 g Stechapfel-Blätter (Datura stramonium)
    • 10 g Salbei-Blätter
    • 10 g Kaliumnitrat (Salpeter)

    Zubereitung:

    1. Alle pflanzlichen Bestandteile zerkleinern (nach de Crevoisier auf Sägespan-Größe)
    2. Pflanzliche Zutaten leicht befeuchten
    3. Kaliumnitrat in angegebener Menge unter die Mischung geben

    Anwendung:

    • Ein kleines Stück der Mischung auf eine feuerfeste Unterlage geben und anzünden
    • Einen oben offenen Papierkegel darüber stülpen und den Rauch einatmen (Wenn der Rauch zu dicht ist, noch etwas Wasser in die Mischung geben)
    Alchimia
    Bild: © Francesca Marvulli – Fotolia.com

    Die „Bulgarische Kur“

    Die Parkinson-Krankheit bzw. Morbus Parkinson ist eine degenerativen Erkrankungen,  die gekennzeichnet ist durch das Absterben Dopamin-produzierender Nervenzellen  im Mittelhirn. Dies führt zu den bekannten Leitsymptomen, wie Muskelstarre, verlangsamte Bewegungen bis hin zu Bewegungslosigkeit, Muskelzittern und Haltungsinstabilität. Es können auch Begleitsymptome, wie erhöhte Cholesterinwerte und fettige Haut auftreten.

    Erstmals beschrieben wurde Parkinson 1817 vom englischen Arzt James Parkinson. Damals war man hilflos auf der Suche nach den Ursachen und nach einer Therapie für die Betroffenen. Aber erst in den 1960er Jahren, mehr als 140 Jahre nach Entdeckung, sollte der Durchbruch gelingen. Der Weg dahin war von unzähligen Versuchen gekennzeichnet. Unter anderem machte um das Jahr 1900 das „Geheimrezept“ des bulgarischen Bauern Iwan Raeff die Runde. Er vertriebt die so genannte „Bulgarische Kur“ und konnte damit einige Teilerfolge aufweisen. Nach 2-3 Monaten Einnahme zeigten sich:

    • Bessere Haltung
    • Weniger Ticks
    • Komplette Besserung des gestörten Speichel- und Tränenfluss, des übermäßigen Schwitzen und der Gefäß-Spasmen
    • Besserung der Sprachstörungen
    • Verschwinden des parkinsonistischen Tremor

    Die Kur setze sich aus folgenden Bestandteilen zusammen:

    1. Racine Nr. 1 (einige verschieden grüße Stücke Tollkirschen-Wurzel)
    2. Poudre Nr. 2 (Tierkohle)
    3. „Pilules“ Nr. 3 (mehrere erbsengroße Stücke Brotteig mit Muskatnuss oder Holzspänen)
    4. Racine Nr. 4 (einige Stücke Kalmus-Wurzel)

    Die Original-Anweisung lautete:

    1. 30 g von Nr. 1 sind mit Nr. 2 für 10 Minuten in 600 ccm herbem Weißwein aufzukochen
    2. Von diesem Dekokt werden anfänglich 5 ml am Abend gegeben. Man steigert täglich um 1 ml, bis man bei 10 ml angekommen ist. Ab diesem Moment unterteilt man die Gesamtmenge: Eine Hälfte mittags vor dem Essen (mind. drei Stunden nüchtern) und die andere Hälfte abends. Es wird weiter tgl. um je 1 l gesteigert, bis man bei 20 ml angekommen ist. Dann unterteilt man in 3 Gaben, indem man morgens um 5 Uhr einen Teil, mittags einen zweiten und abends die Hauptmenge gibt. Im Durchschnitt erreicht man Maximaldosen von 60 – 100 ml täglich.
    3. Einige Stunden nach Verabreichung soll eine Pille Nr. 3 geschluckt werden, in der Zwischenzeit soll ein winziges Stückchen von Nr. 4 längere Zeit gekaut werden.

    Während der Kur sollte man sich vorwiegend lakto-vegetabil ernähren. Fleisch, Alkohol, Kaffee, Tabak und Gewürze sollten vermieden werden.

     

    [1] Monographie BGA/BfArM (Kommission E): POSITIV
    Erscheinungsdatum Bundesanzeiger: 30.11.1985., Heftnummer: 223., ATC-Code: A03BA.
    buecher.heilpflanzen-welt.de/BGA-Kommission-E-Monographien/atropa-belladonna-tollkirsche.htm

    Recherche-Quellen:

    • Hiller, Karl; Metzig, Matthias F.: Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen, Erster Band, Spektrum Akademischer Verlag; Heidelberg 2003
    • H.-H. Rhyner, B. Frohn: Heilpflanzen im Ayurveda, AT Verlag, Baden und München 2006
    • Hänsel, R.; Sticher, O.: Pharmakognosie – Phytopharmazie, 8. Auflage Springer Medizin Verlag Heidelberg 2007

    Internetseiten:

    • www.henriettes-herb.com/eclectic/madaus/atropa.html
    • https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Tollkirsche
    • https://en.wikipedia.org/wiki/Atropa_belladonna
    • www.pharmakobotanik.de/systematik/6_droge/bellad-r.htm
    • www.pharmakobotanik.de/systematik/6_droge/bellad-f.htm

     

    Anja Alijah Flick (Heilpraktikerin)

     Atlaspraxis Flick Blankeneser Bahnhofstraße 11 – 22587 Hamburg  

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